Von Dr. Günter Fiedler
Es gilt das gesprochene Wort
Am 5.Juni 2008 wurde in diesem Haus ein Haushalt verabschiedet, bei dem es sich damals nicht nur erstmals um einen Doppelhaushalt sondern auch erstmals um einen nach den vorgeschriebenen Regeln des NKF aufgestellten Haushaltsplanes handelte. Dieser Haushalt wurde damals gegen die Stimmen der SPD-Fraktion beschlossen. Gründe waren die um 8,3 % zu großzügig gesenkte Kreisumlage und die Nichtannahme unserer Änderungsanträge wie kostenloses Mittagessen in Förderschulen, keine Elternbeiträge in Kindergärten für Geschwisterkinder, nachhaltige Investitionen im Bereich Landschafts- Hochwasser- und Gewässerschutz.
Der vor wenigen Wochen eingebrachte Doppelhaushalt sieht für die beiden nächsten Jahre 2020 und 2021 zusammengefasst fast 1 Milliarde Ausgaben bzw. Aufwendungen vor. Das erfordert jetzt vor Ort die bewährte solide politische handwerkliche Arbeit – schlaue Ratschläge von Youtubern sind hierbei wenig hilfreich oder gänzlich unbrauchbar. Als Sprecher der SPD Fraktion werde ich jetzt vorrangig bei den zentralen Haushaltspositionen die soziale Relevanz für die 300 000 Einwohner in den Kommunen des Kreises aufzeigen.
Für die Zukunft der Einwohner im Kreis Soest sind vor allem die Ausgaben im Bereich „Jugend und Familie“ entscheidend. Eine große Zukunftsaufgabe unserer Gesellschaft – verbunden mit einer finanziellen und personellen Herausforderung – ist die jahrzehntlange unterschätzte Kindertagesbetreuung. Die Zahl der Kinder bis 6 Jahre steigt in den nächsten Jahren erfreulicherweise in Richtung 9000. Um der großen Nachfrage der Eltern nachzukommen, steigen die Kosten für den Ausbau und Betrieb der Kindertagesstätten und Tagespflegegruppen von 48 Mio € im vergangenen Jahr bis auf ca. 70 Mio € in 2024. Dazu sollen in kürzester Zeit 650 zusätzliche Plätze geschaffen werden.
Dabei hilft das Gute-Kita-Gesetz, mit dem der Bund zusätzliche Gelder zur Verfügung stellt. Bis 2022 fließen rund 1,2, Mrd. Euro nach NRW. Mit diesem Bundesgeld kann NRW jetzt ein zweites beitragsfreies Kita-Jahr finanzieren. Dabei ist zurecht das neue KiBiz der Landesregierung heftig kritisiert worden, da es bei einem Kind-Pauschalensystem verbleibt und nicht auf eine verlässlichere Sockelfinanzierung umgestellt. So zeigte sich auch der Landeselternrat sehr enttäuscht: bei der Betreuung gebe es kaum spürbare Verbesserungen und der Personalmangel in den Kitas werde sich noch verschärfen. Auch der Flickenteppich mit landesweit unterschiedlichen
Elternbeiträgen bleibt weiterhin bestehen.
Dramatisch hat sich in den letzten Jahren die Lebenswirklichkeit von Eltern, Kindern und Familien verändert. Wechselnde Familienverhältnisse, Gewalt in der Familie, Mobbing in der Schule, Medienkonsum, Burnout … erfordern zunehmend Beratung, ambulante und stationäre Erziehungshilfen, um das Kindeswohl zu sichern. Der Doppelhaushalt sieht jährlich steigende Ausgaben vor – jetzt um die 30 Mio € bei 42 Personalstellen, an die hohe Anforderungen gestellt werden. Der Deckungsgrad sinkt in den nächsten Jahren von 20 % auf 12 %, d.h. hier bleibt die kommunale Familie bei den Erziehungshilfen praktisch auf sich alleine gestellt.
Bundeszuschüsse fließen aber erfreulicherweise durch das Bildungs- und Teilhabepaket: für ca. 7700 Kinder aus Familien mit kleinem Einkommen stehen Gelder in Höhe von 4,5 Mio € für Klassenfahrten, Mittagessen, Lernmittel und Vereinsbeiträge bereit, die auch abgerufen werden sollten. Zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts für erwerbsfähige Personen ohne ausreichendes Einkommen und deren Angehörigen steigen die Aufwendungen auf 51,3 Mio € und 53 Mio €. Der weiterhin hohe Zuschussbedarf steigt dabei in den beiden nächsten Jahren auf 25 Mio € und dann 27,4 Mio €.
Deutlich entlastet werden in den nächsten Jahren Angehörige von pflegebedürftigen Eltern und Kinder durch die Anhebung der Einkommensgrenze auf 100 000 €. Die entstehenden Aufwendungen werden weiterhin mit 23 Mio € veranschlagt. Durch kaum eingehende Erträge sinkt der Kostendeckungsgrad unter 10%. Auf eine notwendige Stärkung der Pflege hat die SPD in den letzten Jahren ständig gedrängt, zusätzliche Mittel in Höhe von 82 000 € sind jetzt in den Haushalt bereitgestellt.
Die soziale Relevanz der Landschaftsverbandsumlage hat der LWL für das aktuelle Jahr besonders deutlich gemacht: der gezahlten Umlage von 73,5 Mio € stehen immerhin Leistungen von 170 Mio € für ca. 4000 Erwachsene und Kinder mit Herkunft aus dem Kreis Soest gegenüber.
Über die mit den Stellenausweitungen verbundenen Personalkosten im Haushalt ist bereits eben bei der Verabschiedung des Stellenplanes und in der Sitzung des Fachausschusses intensiv diskutiert worden. Wir begrüßen ausdrücklich die personelle Verstärkung des Rettungsdienstes, um zu noch kürzeren Hilfsfristen zu kommen sowie die zusätzlichen Haushaltsmittel, um ein Ersthelfer-Alarmierungssystems einzurichten.
Bei der Beurteilung der Personalkosten darf man nicht vergessen, dass durch das Personal hier beim Kreis Qualität und wertvolles Knowhow vorhanden ist, von dem die Städte und Gemeinden nicht nur durch die angebotene interkommunale Zusammenarbeit profitieren. Ein aktuelles Beispiel ist die Auszeichnung mit dem 1.NRW Mobilitätspreis, der für Innovationen für die Teilhabe mobilitätseingeschränkter Menschen im ÖPNV vergeben wurde. Weiterhin fließen aktuell 1,6 Mio € Fördermittel für ein überregional bedeutendes digitales Ticketsystem. Verweisen möchte ich auch auf die Bearbeitung und Realisierung des Breitbandausbaus mit Kosten in Höhe von 60 Mio € für die kommenden beiden Jahre – und hier im Kreis auch nach und nach bis an jede Milchkanne.
Finanzielle Zuweisungen aus dem Haushalt für externe Personalkosten in den Verbänden, Beteiligungsgesellschaften, Organisationen, Beratungsstellen und Vereinen kommen letztendlich auch den Städten und Gemeinden zugute. In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass wir jetzt dem Kreissportbund zusätzliche Mittel bereitstellen, damit die Sportvereine durch intensivere Beratung von den verschiedenen Förderprogrammen für ihre Sportstätten profitieren können. Auf externe Unterstützung – in welcher Rechtsform auch immer – hoffen wir auch bei der Schaffung von dringend notwendigen bezahlbarem Wohnraum in den Kommunen des Kreises.
Und ein europaweit zertifiziertes Qualitätsmanagement kann der Kreis seit längerem beim Energie- und Klimaschutz vorweisen: in unserem ständig erweiterbaren energiepolitischen Arbeitsprogramm sind aktuell in einem Raster 132 – z.T.schon lange bewährte Einzelmaßnahmen zusammengefasst, die selbstverständlich jederzeit aktualisiert, verfeinert und ergänzt werden müssen. Wir begrüßen, dass auch das von uns vor Jahren geforderte Erosionsschutzprogramm durch mehr Ausgaben für Anpflanzungen von Hecken und Obstbäumen auf privaten Flächen und an Kreisstraßen weiterentwickelt werden kann. Wenn dann behauptet wird, dass der Kreis oder die SPD zu wenig für den Klimaschutz macht, so klingt das für mich wie eine Behauptung, Helmut Rahn hätte beim Endspiel in Bern auf der Ersatzbank gesessen.
Die aufgezeigten geringen Deckungsgrade und Erträge erfordern natürlich letztendlich den Ausgleich durch die bei den Kommunen sehr unbeliebte Kreisumlage. Dabei ist die für die Kreisumlage relevante Umlagegrundlage bei den Städten und Gemeinden auf eine Rekordhöhe von inzwischen 466 Mio € gestiegen!! Doch von diesen gestiegenen Finanzströmen zu den Kommunen kann leider der Kreishaushalt in keinster Weise profitieren, da durch die kaum noch überschaubaren verfassungsrechtlichen Beziehungen zwischen Bund, Land, LWL, Kreis und Kommunen viele Mittel nicht beim Kreis Soest ankommen, da wo die Aufgaben eigentlich durchgeführt und bezahlt werden.
Besonders deutlich wird das bei den Geldern in Höhe von 5 Mrd Euro, die der Bund zur Entlastung bei der Eingliederungshilfe vor allen an die Kommunen über die Umsatzsteuererstattung auszahlt, die sie aber gar nicht zweckgebunden ausgeben müssen. Der Kreishaushalt leidet damit unter einem System, das eher der Echternacher Springprozession ähnelt.
Um den Kommunen letztendlich entgegen zu kommen und Rücksicht zu nehmen, schlägt der Kämmerer vor, die vor Ort lange bekannten Zahlbeträge der Kreisumlage aus der Mittelfristplanung von 171,4 Mio € und 177,9 € beizubehalten und die dabei entstehenden Defizite im Haushalt von 3,6 Mio € und 5,6 Mio € gegen die gering verbleibende Ausgleichsrücklage zu rechnen. Das ergibt heute immer noch Hebesätze knapp unter 37%, die damit weiterhin auf dem niedrigsten Niveau seit Einführung des NKF in 2008 bleiben und sich im Vergleich mit anderen Kreisen sehen lassen können.
Alle , die im Kreis an dem Zahlbetrag der Kreisumlage verzagen, erinnere ich abschließend ermunternd an das chinesische Sprichwort: „Nicht der Wind sondern das gesetzte Segel bestimmt die Richtung“!
Die SPD kann mit unseren gesetzten Segeln dem Haushalt mit diesen vorgeschlagenen Hebesätzen zustimmen und sieht genügend Handlungsspielraum, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Die SPD bedankt sich beim Kämmerer und seinem Team für die Zeit und die konstruktiven Erläuterungen bei den Beratungen. Wir wünschen allen eine besinnliche Advents- und Weihnachtszeit und eine gute Zusammenarbeit im Neuen Jahrzehnt!